Seelenstreichler Happy-Literatur

Urlaubszeit! Auf einer bunten Wiese mit dem Geruch aromatischer Kräuter in der Nase, an einem sonnigen Platz am Pool mit einem fruchtigen Cocktail in der Hand oder in einer chilligen Lounge der angesagten City-Bar – mit einem guten Buch ist man überall am richtigen Ort.

Doch nach welchen Kriterien wählt man die Sommerlektüre aus? Hört man auf spezielle Empfehlungen? Geht man nach Gefühl und kauft, was einem im Geschäft aus dem Regal förmlich entgegenpurzelt? Studiert man Cover und Klappentext so lange, bis man sicher ist, die ganze Geschichte erfahren zu wollen? Oder greift man gar zum gewohnten Genre und den bereits bekannten Autoren, um nur ja kein Risiko einzugehen?

Bei mir ist es so, dass ich in der Urlaubszeit ausnahmslos gedruckte Seelenstreichler konsumiere. Lese ich sonst zwar am liebsten über grausliche, aber intelligent inszenierte Morde in Verbindung mit perfiden Psychospielchen, brauche im Sommer unbedingt „Happy-Literatur“: Cosy-Krimi, süße Liebesschnulzen á la Rosamunde oder Familiengeschichten mit versöhnlichem Ausgang. Ich möchte mich damit an meinen Lieblingsplatz zurückziehen, in stiller Zufriedenheit eine Seite nach der anderen umblättern, schmunzeln, mitfiebern oder berührt sein; will vergessen, dass wir in keiner cosy Welt leben, im wahren Leben echte Liebe nur schwer zu finden ist und die meisten Familien zerrüttet sind. Und ich bestehe auf einem Happy End – sonst ist es schließlich keine richtige Happy-Literatur!

Maria Theresias Sohn, Joseph II., war auch ein Freund heiter-entspannten Kulturgenusses, und so ordnete er 1776 per Dekret die Verbannung allzu trauriger Stücke vom Spielplan der städtischen Theaterbühnen an. Bei den Klassikern befahl er zudem den „Wiener Schluss“ (Happy End). Hierfür mussten auch Tragödien umgeschrieben werden, sodass beispielsweise das Schauspiel „Romeo und Julia“ á la Joseph II. fröhlich endete. Shakespeare wäre allerdings not amused gewesen, hätte er das noch miterleben müssen.

Doch zurück zur Happy-Literatur! Auch wenn ich mich bestimmt nie komplett von Thrill und Horror entwöhnen kann und einfach ziemlich begeistert von cleveren Verbrechen und brutalen Mordgeschichten bin, werde ich künftig nicht nur im Sommer, sondern das ganze Jahr über hin und wieder Happy-Literatur lesen – um meiner Seele immer mal wieder zwischendurch einen Urlaub zu gönnen.

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