Lachseminar - mit Gorillas und Rasenmähern raus aus der Komfortzone

Verlass doch einmal deine Komfortzone, haben sie gesagt. Geh doch einmal über deine Grenzen, haben sie gesagt. Sei offen für Veränderungen, haben sie gesagt. Hatte ich vor diesen wohlmeinenden Ratschlägen überhaupt eine Frage gestellt? Nein, eigentlich nicht. Ich war lediglich am Grübeln gewesen, womit ich mich ohne große Anstrengungen ein wenig von meiner Tätigkeit als Autorin ablenken könnte, um Ideen für neue Projekte zu entwickeln.

Nach längerem Zögern und einigen Tipps in diese Richtung habe ich mich für die Teilnahme an der Probestunden für ein Lachseminar entschieden (ich berichte darüber auch in meinem „Böse Frauen-Buch“).

Die Beschreibung auf dem Folder, den ich wenige Tage später in Händen halte, klingt allerdings seltsam: Es ist nicht notwendig, dass du Humor hast! und Unsere Anweisung: Fake it, until you make it = Tu so als ob, bis es echt ist!

Okay, ich darf also ruhig griesgrämig und total unlustig erscheinen und soll dann so tun, also ob ich Spaß habe und gezwungen kichern, in der Hoffnung, das dann so witzig zu finden, dass ich irgendwann wirklich herzlich darüber lachen kann.

Ich treffe den Vorturner, Onkel Fredi – so nennt er sich selbst –, und den Rest der Gruppe in dem Saal eines Ärztecenters, in dem diversen Privatunternehmern Räume für ihre Vorträge oder andere Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden. Nach einer kurzen Vorstellung, in welcher sich der Schwachsinn „tu so als ob“ aus dem Folder wiederfindet und Plattitüden wie „Wer täglich mindestens 15 Minuten lang lacht, baut Stress ab und bleibt somit länger gesund“ breitgeklatscht werden, beginnen wir auch schon mit den Übungen.

Und es geht schon gut los: Wir sollen Tiere imitieren, also wie Hühner gackern, wie Pferde wiehern, wie Stiere schnauben, wie Affen kreischen, wie Löwen brüllen, und so weiter, natürlich alles mit dazugehöriger Körpersprache und so fröhlich wie möglich. Ich verwandle mich also in ein Huhn, doch gerade als ich beseelt gackernd Körner vom Boden aufpicke, kollidiere ich mit einem schreienden Gorilla und werde gleich darauf von einem schnaufenden Rindvieh attackiert. Ich lande auf meinem Hinterteil und beschließe, von Huhn auf Löwe umzusatteln, um den beiden Männern, die mich gerammt haben, einen zu brüllen – und finde die Situation jetzt tatsächlich sehr komisch. Da jedoch niemand lacht, sondern alle Teilnehmer weiter wiehern, brüllen und kreischen – mitten unter ihnen agiert Onkel Fredi als grunzendes Schwein – rapple ich mich auf und fauche mich tatzenschwingend durch den Saal.

Nach etwa 15 Minuten wird die tierische Übung beendet und wir erhalten die Anweisung, mit einem imaginären Handy am Ohr durch den Raum zu gehen und mit einem unsichtbaren Gesprächspartner zu scherzen und zu lachen. Ich halte also den Daumen an mein Ohr und spreize den kleinen Finger ab, marschiere los und erzähle meinem nicht vorhandenen Frauenarzt einen schweinischen Witz, über den ich dann doch nur maximal schmunzeln kann, da ich ihn ja schon kenne. Also worüber um alles in der Welt soll ich mich jetzt amüsieren? Ich verlege mich aufs Beobachten der anderen Personen im Raum, doch den Anblick der Selbstgespräche führenden Menschen, die hin und wieder künstliche Lacher ausstoßen, finde ich eher traurig als lustig.

Endlich sind weitere zehn Minuten überstanden und wir dürfen auflegen.

Als Nächstes zeigt uns Onkel Fredi die Übung „Mäher-Lachen“: Wir versuchen einen unsichtbaren altersschwachen Rasenschneider, ein Benzinvehikel natürlich, zum Laufen zu bringen, was erst beim fünften Mal gelingt, und als die Kraxen endlich anspringt, zischen wir, vor Freude darüber laut lachend, durch den Raum, den imaginären Rasenmäher vor uns herschiebend. Da ich selbst praktizierende Mäherin bin, kann ich mich wenig über die vor allem in der Sommerhitze lästige Gartenarbeit freuen, die ich jetzt sogar in meiner Freizeit, wenn auch nur vorgestellt, verrichten soll, weshalb mein Lachen hierbei vermutlich mehr als erzwungen klingt und ich mich mittlerweile richtig gestresst fühle von dem so tun als ob.

Nach dem Rasenmähen erklärt uns der Vorturner, dass wir uns jetzt gefälligst viel wohler und freier zu fühlen und eine positive Grundstimmung mit nach Hause zu nehmen haben. Abschließend sollen wir uns noch einmal kräftig freuen, worüber auch immer, und das so richtig lautstark kundtun: „Ho, ho, ha ha ha, ho, ho, ha ha ha!“ Selten so gelacht … nicht!

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