Warum auch AutorInnen HandwerkerInnen sind

Die Schriftstellerei ist ein „handwerklicher“ Beruf – erstens, weil man mit der Hand bzw. mit den Händen auf der Computer- oder Laptop-Tastatur Werke verfasst, zweitens, weil man als AutorIn nicht nur Talent benötigt, sondern das Schreiben auch handwerklich beherrschen muss. Und jetzt stelle man sich einmal vor, man würde von einer anderen Handwerkerin oder einem anderen Handwerker wie InstallateurIn, TischlerIn oder MöbelmonteurIn verlangen, sie/er solle gratis arbeiten.

Ich weiß, das Thema samt Argumentationslinie ist ein alter Hut, aber es hat eben leider kein bisschen an Aktualität verloren.

Schon vor Jahrhunderten hieß es, Kunst wäre ein brotloser Job – dass diese Denkweise immer noch existiert, sagt viel über die Entwicklung des Menschen und den Stellenwert von Fantasie, Kreativität und schöngeistiger Unterhaltung in unserer Gesellschaft aus.

Aus meinem Berufsleben: Sprecher einer Gruppe von Gleichgesinnten, vielleicht sogar selbst Kulturschaffender, will seine Gäste bei einer Präsentation, Versammlung oder Eröffnung mit einer launigen Lesung unterhalten und die Veranstaltung mit der Anwesenheit einer „echten Künstlerin“ mit gewissem Bekanntheitsgrad aufrüschen. Das Anliegen ist erfreulich, die Schleimspur, die dabei gezogen wird, weniger, bereitet aber den Weg für das aalglatte Finale: „Bezahlen können wir aber nichts, wir bekommen keine Förderung, … blabla …“ Ja fix nochmal, warum fragt ihr mich denn dann überhaupt an? Wenn ich gratis auftreten möchte – und das mache ich durchaus, wenn ich ehrliches Interesse an meinen Werken und zeitgleich ein echtes finanzielles Problem orte – werde ich das aktiv anbieten. Aber einer Künstlerin passiv-aggressiv zu suggerieren, sie müsste froh über jeden Auftritt sein, ist einfach nur unverschämt!

AutorInnen sind keine Gratis-HandwerkerInnen, sondern professionelle Kulturschaffende! Unsere Arbeit verdient Anerkennung – und diese Anerkennung sollte sich auch in einer fairen Bezahlung widerspiegeln, die ein wirtschaftliches Überleben sichert.

Es gibt einige Argumente, die für gewisse Personen gegen die Honorierung einer Lesung sprechen. Ein Teil des Problems liegt in der romantisierten Vorstellung vom SchriftstellerInnenleben. Viele Menschen sehen AutorInnen als IdealistInnen, die einzig und allein aus Leidenschaft und Berufung arbeiten und eine Kommerzialisierung ihrer Werke ablehnen. Diese Einstellung können sich jedoch nur Personen leisten, die reich sind oder zumindest einen Brotjob haben. Doch wer vom Schreiben lebt, ganz oder teilweise, möchte für diese aufwändige und anspruchsvolle Tätigkeit logischerweise auch entlohnt werden.

Eine weitere Begründung liegt in der These, dass AutorInnen bei einem unbezahlten Vortrag gratis Werbung für ihr Buch machen. Kleines 1x1: Wir bekommen im Schnitt zehn Prozent pro verkauftes Exemplar. Sollten sich bei einer Veranstaltung also 15 Leute für das Werk interessieren und es später tatsächlich kaufen (was schon viel wäre), wobei ein Stück 25 Euro kostet, ergibt das für die Autorin/den Autor … heiße 37,50 Euro! Dämmert’s?

Junge oder weniger bekannte AutorInnen werden häufig mit dem Argument geködert, dass sie mit der Gratis-Vorstellung ihrer Arbeit Aufmerksamkeit generieren und im Anschluss ein paar Leser bzw. Fans mehr haben. Sollten Installateur-Lehrlinge also auch kein Geld für ihre Leistung erhalten? Sollen sie ohne Bezahlung arbeiten, um ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und sich einen Kundestock aufzubauen? Nein, oder?

Fazit: Dieser Umgang mit LiteratInnen (und MusikerInnen, MalerInnen, …) wirft ein Schlaglicht auf eine Gesellschaft, die Kunst und Kultur als selbstverständlich ansieht, aber nur ungern bereit ist, dafür zu bezahlen. Um dies zu ändern, braucht es ein Umdenken – sowohl bei VeranstalterInnen als auch bei den Betroffenen. Ich selbst kenne leider auch einige AutorInnen, die gratis lesen, weil sie glauben, sie werden nicht gebucht, wenn sie ein Honorar verlangen, was sich womöglich langfristig auf ihren Erfolg als KünstlerIn niederschlägt. Ich hingegen denke: Genau das Gegenteil ist der Fall! Nur wer seinen Wert kennt und diesen „in Gold aufwiegen lässt“, wird auch von anderen wertgeschätzt. Außerdem: Eine faire Bezahlung von AutorInnen bedeutet nicht nur Anerkennung, sondern ist auch eine Investition in die Vielfalt und Qualität der Literatur.

Vielleicht ist der Kampf für die Selbstverständlichkeit einer Bezahlung von KünstlerInnen längst verloren, aber ich bin bereit, noch viele Schlachten zu schlagen, was die Schaffung von mehr Verständnis und Bewusstsein für einen geistig herausfordernden Berufszweig und nicht zuletzt auch die Einforderung von Wertschätzung betrifft.

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KI für Schriftsteller*innen – Unterstützung oder Bedrohung?

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KI versus Mensch – Challenge accepted!